Farbgenetik und Zuchtfarben des Lagotto Romagnolo

 Liebe Lagotto Romagnolo -Freunde und -Züchter

 

Immer wieder steht der Eine oder Andere vor der Frage 

"Welche Farbe hat mein Hund?"

 

Alle Hunde haben den Wolf als Urvater, aber auch dieser zeigt, je nach Vorkommen, unterschiedliche Ausprägungen von Größe, Zeichnung, Farbvarianz und deren Intensität. Oft wird nur der europäische Grauwolf als Ursprung unserer Haushunde angenommen. Aber das ist sicherlich nicht so. Auch die zierlicheren, hochläufigen  Wolfsarten des mittleren Ostens, Zentralasiens, Indiens und Nordafrikas, sowie die großrahmigen Wölfe Nordamerikas spielen in der Domestikation eine Rolle.

Vor wenigen Jahren erst wurde durch Genanalysen eine ägyptische Schakalart als Wolf (Anubis ?) identifiziert und auch der abessinische Wolf (früher abessinischer Fuchs oder äthiopischer Schakal) zählt zu den echten Wölfen und kann sich fruchtbar mit Haushunden verpaaren. 

Man kann bei diesen verschiedenen "Arten", Unterarten und Populationen des Wolfes neben anatomischen Unterschieden (z.B. Varianz der SH: 60-90cm, Gewicht: 20-80 kg) die facettenreichen Fellfarben von Weiß(Creme) und Grau über Gelb bis Rot und Schwarz in verschiedenen Tonstufen und Musterungen beobachten. 

Die Formen- und Farbvielfalt unserer Haushunde resultiert aus der Anpassungsfähigkeit der Wölfe.

 

Die Genetik der Hundezucht ist ein spannendes Feld und für uns als Züchter unabdingbar.

 

Die Farbgenetik ist praktisch ein "Untermenü" der Genetik, macht aber, da sie "vor Augen liegt", die genetischen Zusammenhänge einfacher zu verstehen. Egal, ob dominant, rezzesiv, polygen...alle züchterischen Merkmale, phänotypisch als auch genotypisch, unterliegen den selben Vererbungsgesetzen der Hundezucht. Die Epigenetik will ich hier ganz vorlassen, da sie bei Farbvererbung keine Rolle spielt.

 

Grundsätzlich deckt der Lagotto Romagnolo fast die ganze Varianz aller möglichen Farben der Hundewelt ab, bis auf wenige Ausnahmen, z.B. Blau (d/d), Merle (M/-) oder das Albinogen am C-Locus.

 

 Braun und Braun/Weiß ist die häufigste Lagottifarbe. Hier fängt es aber schon mit der Kompliziertheit der Farbgenetik an! Braun ist ein verändertes (modifiziertes) Schwarz. Dafür ist der B-Locus verantwortlich. Alle Lagotti sind reinerbig braun (b/b).

Somit ist ein brauner (oder weiß/brauner) Lagotto genetisch

schwarz und/oder schwarz/weiß (Scheckungsgen am S-Locus). Phänotypisch braune Lagotti haben mindestens ein Gen KB/- für dominantes Schwarz am K-Lokus.

Also, wer seine Auswertung bei z.B. myDogDNA verstehen möchte, sieht ein KB/- als mischerbig schwarz und ein KB/KB als reinerbig schwarz. 

Um die Sache zu vereinfachen, schreibe ich hier weiter von Schwarz, was beim Lagotto immer Braun (modifiziertes Schwarz KB/-, b/b) ist.

 

Der Standard des Lagotto beschreibt seine Farben nicht so differenziert, wie sie eigentlich vorkommen. Das liegt wohl daran, daß ein erwachsener Lagotto in fast allen Fällen durch das Ergrauungsgen (G) verwaschen wirkt und damit kaum noch ein Braun von einem Focato (at/at) zu unterscheiden ist. Auch die Grundfarbe Sable (Sand, Fawn, Zobel) (dominantes Gelb, Ay/-), die relativ selten beim Lagotto vorkommt, aber in der Hundewelt eigentlich die häufigste Farbe ist, wird oft durch das Ergrauungsgen fälschlicherweise als Orange oder Weiß  interpretiert. Das Ergrauungs-Gen G gibt es bei anderen Rassen auch (Yorkshire Terrier, Bobtail, Bearded Collie, Irischer Wolfshund, Deerhound...). Bisher wurde dieses Ergrauungsgen noch nicht identifiziert.

 

 Einige Lagotti sind nicht reinerbig schwarz. Sie sehen zwar braun oder braun/weiß aus, tragen aber das Genom KB/ky. Mit entsprechenden Zuchtpartnern (-/ky) können diese Hunde u.A. Welpen ohne dominantem Schwarz zeugen (ky/ky).Reinerbiges ky macht den Weg frei für das darunter liegende Allel der eigentlichen Grundfarbe am A-Locus. Das sind die Farben Ay/- (Sable) und at/at (brown & tan),  was die Italiener als Focato bezeichnen. Übersetzt heisst es "rotfleckig". Man kennt diese Zeichnung auch als Schwarz mit Loh, Brand, Schwarzmarken oder Black & Tan, je nach Rasse. Ganz selten gibt es auch wildfarbene (aw/-) Lagotti und nachweislich auch die mit rezzesivem Schwarz (a/a), was beim Pumi und Puli bekannt ist, die wohl in der Verwandschaft des Lagotto stehen.

 

So, nun haben wir aber auch noch unsere "orangen, creme oder schmutzig weißen" Lagotti! Genetisch ist das ein rezzesives Rot (e/e). Der E-Locus (für Extension) ist für die Ausbreitung des Eumelanin (Schwarz) verantwortlich. Beim Lagotto spielt E für "ja" und e für keine Ausbreitung von Schwarz (Braun) eine Rolle. Das kleine e ist rezzesiv und wird von vielen Lagotti unsichtbar getragen. Bei Verpaarung zweier e/- Träger, die phänotypisch braun sind oder ihre Farbe am A-Locus zeigen, fallen statistisch 25 % rezzesiv rote Hunde. Das sind dann, je nach Intensität (I-Locus) unsere weiß/creme, weiß/orange oder einfarbige creme oder orange Hunde. Ganz weiße Lagotti gibt es nicht! Zumindest die Ohren müssen, wenn auch oft nur ganz blass, gefärbt sein. Komplett weiße Tiere, die bei anderen Hunderassen, gewollt, oder ungewollt vorkommen, können neurologische Störungen, Taubheit und Blindheit zeigen.

 

Bei unseren Lagotti kommen noch, wie bei vielen anderen Rassen, das Scheckungsgen und das Ticking recht häufig vor. Über Ticking (T), Roano (R) und Focato habe ich schon meine Gedanken über mein "Farbwunder" Bambina niedergeschrieben.

 

Fotos über die Entwicklung der Farbvariante "Sable" (ay/-) sind in meinem C-Wurf zu finden. Focato (at/at) b.z.w b&t beim B-, D,- und E-Wurf.

 

Im Untermenü "Farbgenetik in Bildern" sehen Sie das Thema noch etwas anschaulicher.

 

Nach meiner Erfahrung und intensiver Recherche ist es sehr schwer, auch für den interessierten Laien, entsprechend verständliche und zeitgemässe Artikel in der Literatur über Farbgenetik zu finden. Daher habe ich gründlich recherchiert und mich mit Genanalysen meiner eigenen Hunde über Frau Dr. Laukner (Laboklin) ausgetauscht und beraten. 

 

 

 Wer mehr über Zuchfarben und Farbgenetik erfahren will, lese meinen unten stehenden und bebilderten Artikel über den Barsoi. Dieser Artikel, entstanden aus meinem Referat zum Barsoi-Rasse-Meeting 2016, erschien in der Verbandszeitschrift "Unsere Windhunde" 04.2018 und im Jahrbuch "European Borzoi 2017". Derzeit wird, für den skandinavischen Kennelclub, der Artikel in´s Finnische übersetzt.

 

Annett Kitsche, Dezember 2018

 

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